Wir kennen das doch alle: “Aber er kuckt doch so süß” “Aber wenn er doch Hunger hat” “Aber er ist doch noch ein Baby”
Doch was, wenn das süße Baby plötzlich ein ausgewachsener 40-Kilo-Koloss ist und hinter ihm an der Leine herzufliegen irgendwie gar nicht so viel Spaß bereitet? Immer wieder begegnen mir in meinem Job als Hundetrainerin Hundebesitzer mit Problemen, welche eventuell gar nicht entstanden wären, hätte man in der Welpenerziehung ein paar Dinge anders gemacht. Für alle, die gerade einen Welpen zuhause haben oder mit dem Gedanken spielen, sich einen zuzulegen, habe ich daher ein paar Tipps, die euch das Leben sehr viel leichter machen können:
1. Fehler: “Ich mache die Leine immer ab wenn wir am Feld sind, der Hund läuft sowieso immer brav bei mir”
Es liegt in der Natur des Welpen, in seinen ersten Lebenswochen zuerst seiner Mutter und später seinem Menschen hinterher zu laufen. Es ist jedoch ein Trugschluss zu glauben, dass das bereits Erziehung ist und so bleiben wird! Sobald der Welpe sich eingelebt hat und älter wird, wird sich der Radius seiner Erkundungstouren erweitern, die Abstände zum Menschen werden immer größer, die Umwelt immer spannender. Und natürlich ist es, wenn man als junger Hund erstmal diese Freiheit gewohnt ist, total doof, wenn man plötzlich an die Leine soll. Warum auch, es hat doch solchen Spaß gemacht!
Macht es euch selbst nicht so schwer. Gewöhnt den Hund so früh wie möglich an die Leine, übt mit ihm spielerisch, ordentlich neben euch zu laufen und nutzt sein anfängliches automatisches Bei-euch-bleiben zu euren Zwecken! Kleine Kinder behält man doch auch zuerst auf dem Jahrmarkt an der Hand bevor man sie dann irgendwann das erste Mal alleine zum Zuckerwattestand laufen lässt! Je früher und zuverlässiger euer Hund gelernt hat, gerne an der Leine zu laufen und Grenzen zu akzeptieren, umso mehr Freiheiten kann er später genießen!
2. Fehler: “Der Hund muss doch den anderen Hunden mal Hallo sagen!”
Ganz klar: NEIN! Natürlich bin ich absolut dafür, dass Hunde bereits im Welpenalter Kontakt zu Artgenossen haben. Sie sollen so viele andere Hunde(-Rassen) wie möglich kennen lernen und vor allem auch mit erwachsenen Hunden zusammentreffen. Niemand kann einem Welpen die Hundesprache so gut beibringen wie ein anderer Hund! ABER: Wenn du mit deinem Welpen an der Leine spazieren gehst und triffst andere Hunde (oder Menschen), du findest es süß wie sehr er sich freut und lässt ihn natürlich sofort hinziehen/hinrennen und schnüffeln etc. , was glaubst du, woher der Hund, wenn er dann mal keine 4 sondern 40 Kilo wiegt, wissen soll, dass er nun mal jetzt nicht mehr zu jedem anderen Hund hinrennen und spielen darf? Abgesehen davon, dass es vom anderen Hund evtl. als sehr unhöflich empfunden wird und er dem Welpen möglicherweise mal ordentlich eins auf die Mütze gibt….nicht so schön mit 2 angeleinten Hunden! Gerade die Welpenzeit ist der beste Zeitpunkt ihm beizubringen, dass man nicht immer im Leben bekommen kann, was man möchte. Womit ich schon zum nächsten Punkt komme:
3. Fehler: “Er ist doch noch so klein, Stress und Frust ertragen muss er noch früh genug lernen!”
Auch hier: Je früher der Kleine lernt, dass es Situationen im Leben gibt, die man eben nicht ändern kann, umso leichter wird das für ihn später zu ertragen sein! Ein Hund, der nie gelernt hat Grenzen zu akzeptieren, mal nicht im Mittelpunkt zu stehen, Frust einfach mal zu ertragen, wird immer damit Probleme haben! Stress bis zu einem bestimmten Level hilft übrigens dem Hund beim Lernen, denn es gibt auch positiven Stress, der durchaus wichtig für die Entwicklung ist. Das Entscheidende ist wie immer, das richtige Maß zu finden!
4. Fehler: “Ich nehme mir die ersten Wochen frei, dass mein kleiner Hund nicht alleine sein muss!”
Jein. Selbstverständlich ist es wichtig, in den ersten Wochen für den Welpen da zu sein. Er wurde von seiner Familie getrennt, kam in ein neues Zuhause, muss wahnsinnig viel verarbeiten. ABER: keinem Hund ist damit geholfen, wenn er 4 Wochen 24/7 seinen Menschen um sich hat und soll dann von einem Tag auf den anderen plötzlich 4 Stunden alleine sein! Fangt relativ bald an, ihn vorsichtig an das alleine sein zu gewöhnen! Startet mit einer Minute und nehmt euch die Zeit, die Abstände langsam zu steigern, so dass er am Tag X ganz entspannt auf eure Rückkehr warten kann. Ebenso ungünstig ist es, den Welpen sehr früh schon den ganzen Tag zu einer Betreuung zu geben. Gebt dem Hund erst einige Monate Zeit (der Zeitraum ist natürlich individuell für jeden Hund zu bestimmen), eine gute Beziehung zu euch aufzubauen, bevor ihr einen fremden Menschen zu seiner wichtigsten Bezugsperson werden lasst!
5. “Wenn er in die Wohnung pinkelt, stubs ich ihn mit der Nase rein, dass er lernt, dass das nicht erwünscht ist!”
Auch wenn es völlig unglaublich klingt, dieses Gerücht hält sich tatsächlich noch immer hartnäckig!! Der Hund lernt dadurch absolut gar nichts! Stubenreinheit ist eigentlich ganz einfach: Bring den Hund nach draußen nach jedem Schlafen, Spielen, Fressen, Trinken. Warte so lange bis er sein kleines oder großes Geschäft gemacht hat und lobe ihn dafür. Wenn mal ein Missgeschick passiert ist, wisch es einfach weg und sorge dafür, dass die Stelle ordentlich gereinigt ist und nicht mehr nach Urin riecht.
Was ich auch noch unbedingt mit auf den Weg geben möchte, was leider viel zu oft völlig unterschätzt wird: Gönnt eurem Welpen genügend Ruhezeiten!!! Er muss nicht innerhalb von 2 Wochen Straßenbahn-Fahren, Shoppen, Agility und Apportieren gelernt haben! Es ist völlig normal, wenn der Kleine 20-22 Stunden am Tag einfach nur schläft oder vor sich hindöst.
Für alle, die jetzt denken “oh nein, hätte ich doch nur….”, keine Sorge: auch wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, in den meisten Fällen lässt sich durch das richtige Training einiges wieder gut machen! Mit diesen Worten möchte ich liebe Grüße an meinen Lieblings-Labrador Jimmy und seine Familie schicken 😉 Wie sie selbst sagen, haben sie einiges in der Welpenzeit “versemmelt”, aber das ist ok. Nachdem sie am Anfang noch hoffnungslos waren, dass sich jetzt nochmal etwas ändern wird, sind sie inzwischen nach fleißigem Training wieder guten Mutes und können inzwischen wieder fröhlich einer tollen Zukunft mit ihrem Liebling entgegen blicken! Danke für euer Vertrauen!